Alte Agenten sterben nicht aus!
Mission Impossible (Kobra, übernehmen Sie auf Deutsch!), 21 Jump Street, The Avengers (hierzulande Mit Schirm, Charme und Melone) oder The Man from U.N.C.L.E. (Solo für O.N.C.E.L): die Faszination des Spy-Fi’ geht weit über den weltbekannten James Bond hinaus, wie der Boom von Verfilmungen alter Fernsehserien zeigt. Irgendwo ist das auch verständlich, denn meistens müssen sich die schneidigen Gentlemen und geheimnisvollen Damen um kaum etwas Geringeres als die Rettung der Welt kümmern. Das Schicksal der Welt ist ein schönes Motiv, das uns alle irgendwie betrifft, was einen gewissen Nervenkitzel erzeugt. Die Verfilmungen von Mission Impossible dürften dabei die Erfolgreichsten sein und so darf Tom Cruise als Impossible Missions Force Agent Ethan Hunt im Jahr 2015 bereits zum fünften Mal ausziehen, um zu versuchen, alles wieder ins Lot zu bringen. Es sei vorweggenommen: Es zahlt sich aus, seinem Spiel im Schatten beizuwohnen!
Ein verwundbarer Tom Cruise?
Die Mission Impossible-Verfilmungen zeichnen sich unter anderem dadurch aus, dass sie von verschiedenen und darunter sehr namhaften Regisseuren umgesetzt werden, wodurch die Filme eine stark unterschiedliche Grundstimmung erhalten. Präsentierte etwa John Woo seinen Ethan Hunt als Archetypus des übermenschlichen Actionhelden, so lässt Regisseur und Drehbuch-Autor Christopher McQuarrie, der für sein Skript zu Die üblichen Verdächtigen den Oscar gewann, seinen gealterten Impossible Missions Agenten im fünften Teil auch mal anlaufen. Mehr noch: Er rüttelt sogar an der Vergangenheit, indem er selbstkritisch aufdeckt, dass die meisten Missionen der Impossible Missions Force eigentlich nur durch Glück und puren Zufall gut ausgegangen sind und wenig mit Professionalität oder Können zu tun hatten. Klar ist Ethan Hunt alias Tom Cruise mit seinen 53 Jahren in Mission Impossible Rogue Nation die meiste Zeit ziemlich taff und lässig, aber nie zuvor haben wir ihn auch so oft versagen sehen, was Ethan Hunt, Tom Cruise, dem Film, dem Franchise und dem gesamten Genre mehr als gut tut!
Herrlich fiktiv und explosiv
Gleich zu Beginn muss William Brandt (Jeremy Renner), der im vierten Teil zwar noch ein äußerst fähiger Field-Agent war, jetzt aber scheinbar mehr Einsatzleiter und Bürohengst ist, von der Regierung, der Alec Baldwin sein ernstes Gesicht leiht, erfahren, dass die Impossible Missions Force eingestampft wird. Ethan Hunt akzeptiert seine Kündigung nicht, schließlich ist er dem Syndicate dichter als je zuvor auf der Spur. Wir erinnern uns an die letzte Szene von Ghost Protocol (auf Deutsch glorreich Phantom Protocol getauft), wo Ethan Hunt als neue Mission die Jagd auf eine Terror-Organisation namens Syndicate annimmt. Dieses Syndicate besteht aus ehemaligen Geheimagenten aus verschiedenen Ländern, die quasi als Rogue Nation die ganze Welt mit Terroranschlägen überschütten. Wer bei dem Titel etwa thematisch an die Terrororganisation Islamischer Staat dachte, irrt. Die Rogue Nation verfolgt andere Ziele, hat mit dem Nahen Osten quasi nichts zu tun und überhaupt bemüht sich der Film aktuelles Weltgeschehen oder kritische Themen wie staatliche Überwachung nicht einmal zu berühren. Das könnte man kritisieren oder man genießt das völlig fiktive Szenario einfach, denn viel zu oft kommt es vor, dass aktuelle Blockbuster diese Themen zwar zwanghaft bemüht ansprechen, aber völlig undifferenziert und inflationär trivialisieren.
Liebesgrüße aus Wien
Für Ethan Hunt beginnt in Rogue Nation ein komplexes Räuber und Gendarm-Spiel, das ihn unter anderem nach Casablanca, London und Wien führt. Während seine ehemaligen Kollegen gezwungen werden, für die CIA gegen ihn zu arbeiten, gerät er in einen dichten Strudel (in einer Szene sogar im wahrsten Sinne des Wortes) aus Intrigen, Doppelagenten, Totgeglaubten und Auferstandenen, Politik und Terror. Wer dabei auf welcher Seite steht und wer gegen wen kämpft, ist eine Variable, die dem Film eine spannende und hektische Dynamik verpasst. Hatte Ghost Protocol seinen Reiz vor allem aus übertriebenem Technik-Schnickschnack gezogen, verlässt sich Rogue Nation wieder mehr auf klassische und unglaublich rasante Action. Natürlich kommen die obligaten Masken und Kontaktlinsen-Kameras vor, der Fokus liegt aber ganz klar auf brachialen Nahkämpfen und stressigen Verfolgungsjagden. Extra erwähnt werden soll die weibliche Hauptfigur Ilsa, gespielt von Rebecca Ferguson, über deren Motive und Beweggründe zwar an dieser Stelle nichts verraten werden soll, die sich als Femme Fatale im geheimen Agentenkrieg aber ebenbürtig mit ihren männlichen Kollegen messen kann und nicht nur zum hilflosen Schmuckwerk verkommt, das sich Ethan Hunt aufreißt und gelegentlich rettet. Auch wenn der Film – wie die meisten Blockbuster – den Bechdel-Test zwar trotzdem nicht besteht, ist es dennoch schön zu sehen, dass sich klassische und längst überholte Rollenbilder langsam zumindest teilweise auflösen.
Fazit von Jo
Mission Impossible: Rogue Nation schlägt wie auch die Vorgänger trotz einiger bekannter Wiedererkennungsmerkmale einen ganz eigenen Kurs ein. Hunt und sein (Ex-)Team sind verwundbarer, die kinematografische Inszenierung überzeugt und pointiert positioniert kommt auch – dank Simon Pegg, der als Benji seit Teil 3 eine unglaubliche Bereicherung für das Franchise ist – der Humor nicht zu kurz. Mission Impossible: Rogue Nation mag nicht der beste Agentenfilm aller Zeiten geworden sein, für den besten Film der Reihe reicht es aber. Die Fortsetzung bleibt des Franchises würdig und bringt dennoch genügend Veränderung mit, um nicht nur als Aufguss betrachtet zu werden. Wer rasante Agenten-Action mag, wird mit Rogue Nation seine Freude haben.
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