Unlängst… Entdeckte ich zufällig im Laden die DVD-Box Aeon Flux, die sämtliche Folgen der amerikanischen Zeichentrickserie, die Anfang der 90er von MTV produziert wurde, auf Silberscheiben verewigt. Zwar kannte ich bis dato Aeon Flux nur in wenigen Ausschnitten, die ich hier und da mal im Fernsehen aufgeschnappt habe (sah aber nie eine ganze Folge), aber recht viel mehr war mir nicht bekannt. Wobei, wenn ich mich jetzt recht entsinne, hab ich mir mal vor unzähligen Jährchen eine VHS aus der örtlichen Videothek ausgeborgt, wo zwei der halbstündigen Folgen zu sehen waren… Zudem las ich mal einen kompletten Episodenguide in einer von mir überaus geschätzten Filmzeitschrift (ebenfalls ewig her).
Wie auch immer, Aeon Flux hat mich auf gewisse Art über die Jahre hinweg beschäftigt und Meister Zufall hat mich dann wohl zur kompletten DVD-Box geführt. Als alter Fan klassischer Animation mit SF-Einschlag musste diese freilich gekauft und ausführlichst begutachtet werden.
“You can’t give it, can’t even buy it, and you just don’t *get* it.“
An einem Irgendwann und in einem Irgendwo
Zum Science Fiction-Setting lässt sich soviel sagen: Die Serie spielt (vermutlich) in der fernen Zukunft auf (möglicherweise) der Erde. Diese wird primär von Menschen bewohnt, aber auch Klone, Mutanten und Aliens tauchen dort auf. Zwei Staaten führen seit langer Zeit Krieg gegeneinander: Monica und Bregna. Bregna wird beherrscht vom Diktator Trevor Goodchild, der sein Volk überwachen und kontrollieren lässt. Aeon Flux ist eine Eliteassassine aus Monica, die für verschiedenste Auftraggeber arbeitet und im Prinzip keiner eigenen Organisation angehört. Trevor und Aeon verbindet eine Art Hassliebe, die sie immer wieder Mal auf recht ungewöhnliche Art ausleben. So, das war‘s eigentlich schon. Recht viel mehr kommt in der Serie eigentlich vom Background des Settings und der Figurenkonstellation gar nicht heraus.
“What the flame does not consume, consumes the flame.“
Short Cuts
Zu den Kurzfilmen: Aeon Flux begann dereinst als 12-minütiger Pilotfilm im Rahmen von Liquid Television, welches eine Art Sonderprogramm auf MTV darstellte und voll auf experimentelle Animation setzte. Da war eigentlich so ziemlich alles erlaubt, aber lediglich Aeon Flux konnte sich dauerhaft durchsetzen. Der Pilotfilm wiederum wurde in 2-minütigen Kurzepisoden über einen längeren Zeitraum hinweg aufgeteilt ausgestrahlt. Danach folgten weitere Kurzfilme, allesamt 180 Sekunden lang, an deren Ende der Hauptcharakter Aeon Flux immer stirbt (das kann auch schon einmal kurz nach dem Vorspann sein) und eigentlich auch stets dabei versagt, ihren Auftrag (meist die Tötung einer Zielperson) auszuführen. Keine der Figuren sagt im Verlauf der Handlungsverläufe auch nur ein Wort, lediglich ein wenig gestöhnt und geschrien darf werden. Zudem gibt es noch einige absurde Zwischenszenen, kurze Andeutungen und eigentlich immer einen unaufgelösten Handlungsstrang. Dies alles wird recht flott inszeniert, mit ungewöhnlichen Kameraperspektiven und größtenteils überzeugenden Animationen. Diese sind manchmal wunderschön gezeichnet und überaus flüssig, dann wieder arg grob und stockend. Dies hängt aber auch davon ab, wer gerade die jeweilige Folge verantwortlich war, wobei sich vor allem die Südkoreaner besonders auszeichnen (im wahrsten Sinne des Wortes). Alles in allem waren die Kurzfilme so erfolgreich, dass beschlossen wurde, halbstündige Episoden zu produzieren.
“That which does not kill us, makes us stranger.“
Halftime
Tja, hier dürfen sowohl Aeon Flux als auch Trevor Goodchild sowie sämtliche anderen Charaktere endlich sprechen. Glücklicherweise bewiesen die Prodzuenten der Serie hierbei ein mehr als glückliches Händchen und gerade im englischen Original wirkt die Wahl der Synchronisationsstimmen geradezu perfekt. Dadurch gewinnen die Figuren ganz wesentlich an Komplexität und Tiefe. Gleiches gilt für die Handlungsverläufe. Diese sind nun wesentlich vielschichtiger und arbeiten noch mehr die absurden/surrealen Elemente verstärkt hervor. Stets werden dem Betrachter zahlreiche Interpretationsmöglichkeiten präsentiert, stets gibt es zweideutige Anspielungen und unaufgelöste Plot-Elemente. Zwar existiert keine echte Kontinuität zwischen den Folgen, aber im Laufe der Serie entwickeln sich dann doch die Charaktere auf gewisse Art weiter. Außerdem erfährt man deutlich mehr (freilich nicht zu viel) über das Setting, also die SF-Welt, in der Aeon und Co agieren. Zudem darf unsere Heldin (fast) immer das Ende der jeweiligen Folge erleben. Die Animationen sind im Vergleich zu den Kurzepisoden teils deutlich besser, speziell in einigen Nahaufnahmen der Charaktere begeistert einen der Zeichenstil besonders. Freilich wären auch hier phasenweise detailliertere und flüssigere Animationen wünschenswert gewesen, aber dies ist wohl wie stets auch eine Frage von Budget und Zeit.
“The will to evil is like an iron in a forge, there is only one way to shape it right – with a conscience which is the fire!“
Lynch, Schiele und Japan mögen sich
Was lässt sich also insgesamt kritisch zur Serie sagen? Nun ja, Aeon Flux macht es einem nicht gerade einfach, Aeon Flux zu mögen, sprich, das Konzept ist ungewöhnlich, wirkt gelegentlich verstörend und manchmal auch fast zu absurd. Irgendwie wie eine Mischung von Lynch, Cronenberg, diversen Animes und ein paar Drogenphantasien. Die subtilen Andeutungen und surrealen Elemente, die gleichzeitig auch fast nie aufgelöst werden, sind praktisch in jeder Episode zahlreich vorhanden. Diese werden zwar meist durch eine relativ geradlinige Haupthandlung zusammengehalten, lassen einen aber fast stets recht unbefriedigt zurück. Die Animationen sind auch nicht immer zufriedenstellend. Die Mischung aus Egon Schiele, französischen Comics und Anime-Style wirkt phasenweise etwas inkonsequent umgesetzt, wiewohl der eigenständige Stil zweifelsohne unverkennbar ist und freilich auch einen Gutteil der erstklassigen Atmosphäre der Serie ausmacht.
“We won. We must have been right.“
Der Fluss und das gute Kind
Wie auch immer, für mich ist die Serie ein absolutes Highlight und meiner Meinung nach fast das Beste und Eigenständigste, was aus den USA (oder generell aus dem Westen) in Sachen Animation hervorgebracht wurde (mal abgesehen natürlich von zahlreichen Disney-Klassikern). Gerade die Eigenständigkeit in Sachen Zeichen- und Erzählstil bricht mit so ziemlich allen etablierten Konventionen des Genres (und darüber hinaus), was natürlich gerade mir besonderen Spaß beim Angucken bereitet. Alleine die Grundidee den Hauptcharakter stets sterben zu lassen ist genial (bei den Kurzfilmen). Die Dynamik zwischen den Figuren Aeon Flux und Trevor Goodchild ist wohl auch einzigartig in der Film- und Seriengeschichte. An sich Antagonisten, die aber eine ewige Hassliebe miteinander „verbindet“ und auch schon mal zwischendurch am Schlachtfeld übereinander in voller Leidenschaft herfallen.
“That’s the funny thing about memories, we are only what we remember of ourselves.“
Fazit von Spenz
Alles in allem ist Aeon Flux ein ungewöhnlicher Trip, der einen mit mehr Fragen als Antworten zurücklässt, aber dabei erstklassig unterhält. So ungewöhnliche wie faszinierende Charaktere begeistern einen in einem eigenwilligen SF-Setting voller surrealer Momente und dies alles visualisiert mit einem bizarren Animationsstil. Entweder man liebt die Serie oder man hasst sie. Für mich ist sie in jedem Fall eine der besten Zeichentrickserien überhaupt. In jedem Fall zu empfehlen, vorausgesetzt, man will sich darauf einlassen.
Abschließend noch ein dreifaches HOCH!!! auf Peter Chung, den Schöpfer und Autor der Serie, der hier wirklich einen Geniestreich abgeliefert hat.
PS: Die Realverfilmung von Aeon Flux aus dem Jahre 2005 mit Charlize Theron in der Titelrolle ist äußerst enttäuschend im Vergleich zum Original. Nicht nur wurden Setting und Handlung teils arg entstellt und verändert, auch kommen die surrealen Elemente und die besondere Atmosphäre nur in Ansätzen vor. Lediglich die Ausstattung und die Hauptdarstellerin (in erinnerungswürdigen Outfits) konnten überzeugen. Und Peter Chung hat’s auch nicht gefallen…
DVD-Extras:
Zur DVD-Box sei gesagt, dass ein surreal-geniales Bild einer von den Wimpern eines Auges gefangenen Fliege das Cover ziert. Dies allein ist schon einiges wert und passt ganz wunderbar ins Regal. Die Menüführung ist übersichtlich, wenn auch die Grafiken und Übergänge mehr ‚Style‘ vertragen hätten. Die Extras sind zwar nicht allzu zahlreich, dafür aber fein gemacht. Speziell die Audiokommentare zu einzelnen Episoden und ein Featurette mit zahlreichen Interviews offenbart einiges an Informationen über die Serie (freilich ohne dabei ‚Wahrheiten‘ über gewisse surreale/absurde Handlungsverläufe zu verraten). Bild und Ton sind an sich erstklassig und somit alles in allem für eine DVD-Grundausstattung mehr als solide.
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