Von Zeit zu Zeit erscheinen neue TV-Serien, die von Anfang an und gänzlich zu überzeugen wissen. Breaking Bad gehört genau in diese Kategorie. Wer sich auch nur ein wenig für zwischenmenschliche Dramen gepaart mit tiefschwarzem Humor samt großartig ausgearbeiteten Charakteren zu interessieren vermag, der ist hier genau richtig.
2008 wurde die erste Staffel von Breaking Bad erstmals im US-amerikanischen TV-Sender AMC ausgestrahlt. Von den ursprünglich 9 geplanten Episoden, konnten aufgrund des Autorenstreiks im selben Jahr lediglich sieben realisiert werden. Runde 47 Minuten umfasst jede Folge. In Folge des anhaltenden Erfolgs und der tollen Kritiken sind inzwischen volle 3 Staffeln (die Darauffolgenden mit je 13 Episoden) abgedreht und die Vierte hat ihre Premiere im Juli 2011.
Schöpfer, Autor und zeitweise auch Regisseur der Serie ist der bisher kaum bekannte Vince Gilligan, der zuvor lediglich einige Folgen von Akte X produzierte und unter anderem das Drehbuch zur Superhelden-Persiflage Hancock (2008) mit Will Smith mitschrieb. Allerdings zeigt er jetzt mit Breaking Bad, was er eigentlich drauf hat und das ist eine ganze Menge.
„You know the business and I know the chemistry. „
Der Abgrund in der Wüste
Ort der Handlung (und so nebenbei auch Ort der meisten Dreharbeiten) ist Albuquerque in New Mexico. Die Stadt umfasst in etwa eine halbe Million Einwohner und liegt praktisch mitten in der Wüste. Auch aufgrund der Nähe zu Mexiko sind Drogen aller Arten dort eine Gefahr für die Gesellschaft. Nicht zuletzt Methamphetamin, besser bekannt als Meth oder Crystal, das durch ein chemisches Verfahren aus legal zu erwerbenden Produkten hergestellt werden kann und fast wie eine Seuche breite Bevölkerungsschichten physisch und psychisch verfallen lässt.
Walter White (Bryan Cranston) ist ein so durchschnittlicher wie langweiliger Bürger der Stadt. Er unterrichtet das Fach Chemie an der örtlichen High-School. Mit einem Nebenjob in einer Autowaschanlage muss er zudem seine schwierige finanzielle Situation für seine Familie aufbessern. Seine fürsorgliche und liebevolle Frau Skyler (Anna Gunn) ist seit wenigen Monaten schwanger. Sein Sohn Walter jr. (RJ Mitte) leidet an der Behinderung Zerebrale Kinderlähmung.
Das Leben des Walter White ändert sich dramatisch, als er erfährt, dass bei ihm Lungenkrebs im fortgeschrittenen Stadium festgestellt wird. Ohne Behandlung hat er nur noch wenige Monate zu leben. Aus einer so impulsiven wie verzweifelten Entscheidung heraus beschließt er mit der Herstellung und dem Verkauf von Meth genug Geld herbeizuschaffen, um sich einerseits die extrem teure Behandlung für seine Erkrankung leisten zu können und andererseits die Zukunft seiner Familie finanziell abzusichern, vor allem für den Fall, wenn er alsbald schon sterben sollte.
Sein Partner bei diesem ‚Unternehmen‘ wird praktisch durch Zufall Jesse Pinkman (Aaron Paul). Der ehemalige Schüler von Walter White ist seit einigen Jahren hauptsächlich als Dealer in der Szene abgetaucht. Zu allem Überfluss ist sein Schwager Hank Schrader (Dean Norris) auch noch als Ermittler bei der DEA (Drug Enforcement Administration) tätig, was die Situation für Walter mehr als einmal zuspitzt.
Je länger Walter White sein verbrecherisches Tun betreibt und ein Doppelleben vor seiner Familie führt, umso mehr spürt er auch den Kick, lebt die Intensität eines Grenzgängers, muss aber auch bald erkennen, dass die Konsequenzen seiner Entscheidungen immer mehr Menschen und ihn selbst in den Untergang treiben.
„I am awake.“
Weiß wird Grau und Grau wird Schwarz
Breaking Bad ist eine bitterböse Serie im besten Sinne. Die Figur des Walter White, die anfangs noch brav, angepasst und praktisch in mehrfacher Hinsicht ein impotentes Leben voller verpasster Chancen fristet, erfährt einen fundamentalen Einschnitt in die Existenz, was alles verändert. Aus falschem Stolz und zu langer Frustration heraus trifft er schließlich eine fatale Entscheidung, die zu noch mehr fatalen Entscheidungen führt, mit so gravierenden wie furchtbaren Konsequenzen. Dabei reißt er sogar seine Familie in den Abgrund, die er ursprünglich zu schützen und dauerhaft zu versorgen versucht.
Das radikale Gewahrwerden der Sterblichkeit durch die Aussetzung einer schwerwiegenden Krankheit verführt die Figur zur überwertigen Schuldhaftigkeit. Mit der Schuld, mit dem Überschreiten von Grenzen kommt wiewohl auch mehr Potenz, mehr Sinnlichkeit, aber auch mehr Aggression und Gewalt ins Leben. Der Sex ist besser, aber Menschen müssen sterben. Die Lüge wird zum Alltag. Das Geld fordert seine Opfer. Ehe der Körper von Walter White vergeht, hat er längst seine Seele dem Teufel verkauft und der verändert Walter mehr, als ihm lieb sein kann.
Dies alles wird sehr realistisch mit glaubhaften Figuren und tiefschwarzem Humor der allerdunkelsten Sorte dargestellt. Praktisch ein jeder Lacher bleibt einem sofort im Halse stecken, denn vom Guten im Menschen bleibt am Ende des Tages nur mehr wenig übrig, wenn überhaupt. Zwar mag man die Handlungsweisen eines Walter White irgendwie verstehen, aber im Grunde ist er ein verlogener Bastard, der in all seiner Cleverness keine Grenzen kennt. Das zwischenmenschliche Drama passiert am laufenden Band, der Sumpf des Verbrechens korrumpiert den ‚normalen Bürger‘ immer mehr und mehr, eine Familie zerbricht an Krankheit und Lüge. Und das alles ist absolut großartig zum Ansehen!
„So you do have a plan?! Yeah, Mr. White! Yeah, science!“
Der Cast! Der Cast!
Handwerklich und in qualitativer Hinsicht kratzt Breaking Bad in mehrfacher Hinsicht an der Decke. Allein die großartige Idee, Chemische Elemente in die Schriftzüge der Credits einzubauen, ist symptomatisch für das hohe Niveau der Serie insgesamt, die zudem äußerst filmisch rüberkommt. Ja, auch die Drehbücher, die speziell in den Dialogen und im Handlungsverlauf insgesamt über sieben Folgen hinweg konsequent großartig sind, könnten nur schwerlich besser sein.
Ein besonderes Highlight ist aber der Cast, der bereits mit der Pilot-Folge gänzlich überzeugt. Ich habe kaum noch eine Serie gesehen, wo die Schauspieler so früh schon so vollkommen ihre jeweiligen Figuren verkörpert haben. Allen voran ist es natürlich Bryan Cranston, der mit Malcolm mittendrin (1999-2006) seinen großen Durchbruch feierte und dabei enormes komödiantisches Talent bewies, mit Breaking Bad aber umso großartiger den tiefen Fall eines braven Bürgers mit einer hohen Intensität darzustellen vermag. Völlig zu Recht gewann er 2008, 2009 und auch 2010 für diese Performance den Emmy.
Der Rest des Ensembles steht ihm wiewohl um nichts nach. Anna Gunn, als so selbstbewusste wie fürsorgliche Mutterfigur, ist perfekt besetzt. RJ Mitte als Walter Jr., ebenfalls nicht minder großartig, ist auch im wirklichen Leben von der Behinderung Infantiler Zerebralparese betroffen, wenn auch nicht in dem hohen Ausmaß wie in der Serie dargestellt. Das verbrecherische Duo mit Mr. White und Jesse Pinkman funktioniert in all seiner ambivalenten Dynamik dank dem Spiel von Aaron Paul wirklich großartig. Dean Norris darf als Hank Schrader die obszönsten und witzigsten Sprüche von sich geben. Lediglich Betsy Brandt als Marie Schrader geht im Main-Cast vielleicht etwas unter und wirkt einen Tick zu blass. Kleinere Nebenrollen wie jene des völlig irren und brandgefährlichen Gangsterboss Tuco alias Raymond Cruz könnten aber ansonsten auch nicht besser besetzt sein.
„This is no meth.„
Fazit von Spenz
Breaking Bad funktioniert für mich sowohl als sozialrealistisches Drama, als auch als bitterböse Satire über die menschlichen Abgründe, die sich speziell dann auftun, wenn falsche Entscheidungen ohne Bewusstsein ob der schlimmen Konsequenzen getroffen werden. Der Verfall der Hauptfigur Walter White und all seiner Lieben, die er mit in den Abgrund reißt, wird dabei so konsequent wie großartig dargestellt.
Die Qualität der Serie ist durchgehend sehr hoch, vor allem was Dialoge und Handlung betrifft. Dass noch ein annähernd perfekter Cast, der wie selten zuvor vom Pilot weg alles gibt, dazu kommt, ist wohl auch ein Glücksfall in der TV-Geschichte.
Wirklich Negatives vermag ich dabei kaum zu benennen. Vielleicht wäre hie und da noch etwas mehr an Spannung, noch etwas mehr an Realismus und vielleicht gelegentlich auch ein im Ansatz unpassender Humor weniger besser gewesen, aber das wäre Mäkeln bei einem so hohen Niveau, dass es gar nicht ins Gewicht fallen kann. Trotzdem vermisse ich hin und wieder doch schlicht so etwas, wie einfach mehr Spaß beim Zuschauen. Ein echter ‚Serien-Rausch‘ wollte mich nämlich nicht überkommen.
Für mich ist Breaking Bad fast so etwas wie der geistige Nachfolger von den absolut genialen Sopronas (1999-2007). Die Mischung aus menschlichem Drama, Verbrechen und Humor gab es dort nämlich auch schon in einer ähnlichen Weise, wenn auch in einem größeren Rahmen als echtes Mafia-Epos. Wobei ich auch dazu sagen muss, dass diese Produktion von AMC für mich bisher nicht ganz an das zeitlose Meisterwerk von HBO ranzukommen vermag.
Jedenfalls kann ich Breaking Bad nur grenzenlos empfehlen und ich bin schon äußerst gespannt auf die weiteren Staffeln.
DVD-Extras:
Erstmals sei gesagt, dass lediglich sieben Folgen für eine Staffel vergleichsweise wenig sind, dafür kostet diese aber weniger als die Hälfte als andere DVD-Boxen einzelner Staffeln anderer Serien. Audio-Kommentare findet man zudem nur zwei auf den Silberscheiben, diese sind aber mit einer Vielzahl an Sprechern (sprich dem Großteil von Cast und Crew) so witzig und informativ wie selten wo. Auf insgesamt drei DVDs erwarten aber einen noch zahlreiche entfallene Szenen, ein obligatorischen Making Of, Videos von den Probeaufnahmen, diverse Trailer, ein Interview aus einem TV-Magazin und auch noch zahlreiche Feature-Clips, die die Hintergründe einzelner Sequenzen näher beleuchten. Fette Extras also, die gerade bei dem Preis die DVD-Box nur umso mehr zur grenzenlosen Kaufempfehlung werden lassen.
PS: ‚Breaking Bad‘ ist übrigens ein umgangssprachlicher Ausdruck aus dem Süden der USA, der praktisch so viel bedeutet ‚auf die schiefe Bahn geraten‘, sei es für einen Tag oder ein ganzes Leben.
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