Unlängst… führte ich mir den Film Der seltsame Fall des Benjamin Button von David Fincher als Regisseur und mit Brad Pitt in der Hauptrolle zu Gemüte und hatte im Vorfeld doch irgendwie etwas erhöhte Erwartungen. Den guten Fincher mag ich nämlich sehr. Angefangen hat er ja als Spezialeffektler bei den Typen, die Star Wars und Indiana Jones produzierten. Für Madonna, The Rolling Stones oder auch Nine Inch Nales hat er auch mit Preisen ausgezeichnete Musikvideos gemacht. Mit Se7en (1995) schuf er möglicherweise das Meisterwerk schlechthin im Serienkiller-Genre, was ihm auch großen Erfolg bei Kritikern und Publikum bescherte. Eines der wenigen Kino-Werke nahe an der Perfektion. Mit Fight Club (1999) darf man sich als zynischer Jungmann in blaustichiger Brutalität am Abgesang der Welt und der Gesellschaft erfreuen. Sehr fein auch Zodiac (2007), was als klug verschachtelte und fast meditative Abhandlung über eine der spektakulärsten Mordserien in der Kriminalgeschichte verstanden werden darf. Sein Erstlingswerk Alien 3 (1992) kann man sich mit etwas Wohlwollen anschauen und dann davon etwas unterhalten werden. The Game (1997) war für mich leider doch etwas zu bemüht konstruiert, wenn auch sonst recht solide. Da hofft man doch glatt auf ein neues Meisterwerk von Herrn Fincher und sollte es denn tatsächlich mit Mr. Button so sein?
„What if I told you that instead of gettin‘ older, I was gettin‘ younger than everybody else?“
Ein altes Kind aus New Orleans
Basieren tut die Handlung erstmals auf einer äußerst, äußerst freien Adaption der gleichnamigen Kurzgeschichte von F. Scott Fitzgerald, die der im angloamerikanischen Raum reichlich berühmte Schriftsteller 1922 zu Papier brachte. Der Film greift konkret die zumindest äußerst interessante wie bizarre Grundidee auf, dass ein Neugeborenes als Greis zur Welt kommt und umgekehrt altert, sprich im Laufe der Jahre immer jünger wird.
Geboren wird der Balg in New Orleans anno 1918 und gleich mal vom reichen Papi, der fett Kohle mit Knöpfen scheffelt, aufgrund der offensichtlichen Hässlichkeit und Widerwertigkeit seiner missratenen Ausgeburt vor dem nächsten Altersheim ausgesetzt. Gut, dass sich der verrunzelten Unschuld die farbige Heimleiterin sogleich annimmt, welche ihn dann die kommenden Jahre erstmals lieb und nett zwischen all den anderen alten Säcken groß zieht (welch poetischer Einfall!). Zur Überraschung aller überlebt der Balg die athritischen Jahre und wird irgendwie auch noch immer jünger. Zwangsläufig hübscher wird er dabei auch, weil ja unter den Bergen von digitalen Codes und Tonnen von Make-Up das Gesichtchen von Brad Pitt vergraben ist, das sich langsam wiewohl recht gekonnt hervor schält. Der ewigen Liebe begegnet man im Kindesalter freilich auch. Fix, dass man die später kriegt. Irgendwann wird’s dem Buben Benjamin freilich langweilig im Altersheim und weil man in den US and A immer schnell einen Job kriegt, wenn man nur will, heuert man mit zwei Halbsätzen beim nächsten Schiff unter einem schön klischeehaften Kapitän an, der so irisch und versoffen ist, wie man es sich von einem simplen Drehbuch nur wünschen kann. So tingelt man in die Welt hinaus, erlebt viel, hat ein wenig Sex mit der Frau eines anderen, macht ein bisschen mit beim Weltkrieg, ist natürlich mit der Darbietung von tanzenden Künstlern in New York überfordert und kriegt die große Liebe dann doch recht einfach ins Bett. Ein Kind soll auch noch gezeugt werden und wo sonst als in Indien säuft man die Weisheit aus dem Ganges. Tragisch, tragisch: sterben muss der gute Benjamin auch am Schluss, freilich als zurückgealtertes Baby. Tränen bitte. Oscars bitte. Danke.
„You never know what’s comin‘ for ya.“
That’s a No, Mr. Fincher
Nein, kein Meisterwerk von Herrn Fincher, definitiv nicht. Wo er uns bisher reichlich unterkühlte und auch äußerst brutale wie auch verdammt spannende Filme präsentierte, die die menschlichen Abgründe nur allzu gekonnt ins blasse Licht zerrten, da will er uns jetzt ein etwas gefälliges, sehr amerikanisches, sehr liebes Märchen erzählen (fast so als sollte eine Rosamunde Pilcher von heute auf morgen Underground-Zombie-Romane schreiben), das irgendwie wie ein plumpes Rip-Off von Forrest Gump (1994) wirkt, plus einem megafetten Spezialeffekt und minus etwas verspieltem Witz und minus bunterem Tingeln durch die Weltgeschichte. Ach ja, mit Eric Roth haben wir ja noch dazu denselben Drehbuchautor wie bei dem Teil mit Tom Hanks.
Der megafette Spezialeffekt, wo mit äußerst aufwändigen Verfahren ein digital veränderter Kopf von Brad Pitt auf diverse Körper von anderen Darstellern gepflanzt wurde und man tatsächlich einer glaubhaft immer jünger werdenden Mimik zusehen kann, ist tatsächlich geil. Später sind es auch noch wirklich fantastisch anzusehende Make Up-Masken und computerunterstützte Verjüngungskuren. Das war auch schon das Highlight, das einzige Highlight. Die Figur des Benjamin Button selbst ist nämlich todlangweilig. Eigentlich hat er keine Talente, keine echten Interessen, keine Motivation, bekommt aber dafür eh alles vor die Füße gelegt ohne wirklich sich dafür anstrengen zu müssen. Ein Mann ohne Eigenschaften. Von ambivalenten Brüchen oder inneren Widersprüchen, die die Figur auch nur irgendwie glaubhafter, tatsächlich menschlich machen würden, kann ohnehin praktisch keine Rede sein. Er hat eben nur Pech, dass er falsch altert, der Arme, aber sonst ist er ein echt super Typ, den man einfach gern haben muss. Außerdem nölt er auch noch die altklügsten Sätze permanent aus dem Off in unsere Ohren (freilich im tiefsten New Orleans-Dialekt) oder nuschelt den anderen Charakteren Pseudoweisheiten vor, wie sie im nächsten Glückskeks besser und intelligenter zu finden wären.
Überhaupt ist alles äußerst gefällig und simpel in der Welt des Knöpfe-Benjamins. Weder die Rassenproblematik noch Leid oder Einsamkeit im Alter oder überhaupt zwischenmenschliche Grausamkeiten passieren da irgendwie in annähernd 80 Jahren Lebensgeschichte nicht. Dass Krieg nicht nett ist, wissen wir auch nur, weil ein paar vergessenswerte Typen auf einem Boot gegen böses deutsches Nazi-U-Boot verrecken. Toll für den Benjamin auch, dass er superpotent ist und die erste Prostituierte gleich mal heftig überfordert. Dumm fickt gut. Die ewige Liebe fällt ihm natürlich auch zwischen die Füße, aber hängen bleibt sie erst an ihm, nachdem sie ihren tanzenden Lebenstraum samt promiskuitiver Lebensweise mit eher geistig weiterentwickelten MitkünstlerInnen aufgrund eines Unfalls aufgeben muss und dann reuig und lieb angekrochen kommt. Das immertolle Bettgehopse kann beginnen. Überhaupt ist das Frauenbild in dem Film etwas seltsam. Alles Schlampen außer Mutti. Super auch für das Profil des einfachen, unangestrengten Lebemanns, dass der schließlich ebenfalls reuig angekrochene Papi einen Heu-Batzen an Geld vererbt. Der Teufel scheißt auch immer auf den größten Haufen.
„Benjamin, we’re meant to lose the people we love. How else would we know how important they are to us?“
Naja, wir wollen ja mal nicht so sein…
Ok, mal abgesehen von den feinen Spezialeffekten gelingt es dem Film hier und da doch ein wenig sonst noch zu überzeugen. Wiewohl der blau-unterkühlte Look mit vielen digitalen Nachbesserungen etwas sehr artifiziell rüberkommt und zudem menschliche Zwischentöne umso mehr zu verdrängen scheint. Aber wenn auch Handlung und Figurenzeichnung in weiten Teilen nicht platter und simpler sein könnten, so sind einige Charaktere, ganz im Gegensatz zu Benjamin, durchaus phasenweise recht sensibel dargestellt.
Taraji P. Henson als Mama Queenie, die sich den Alten und dem alten Baby annimmt, spielt tatsächlich wirklich beeindruckend und wirkt insgesamt am glaubhaftesten. Ihr nimmt man ihre mütterliche Fürsorge und ihre Sorge doch tatsächlich ab. Cate Blanchett als die große Liebe mag zwar vom Drehbuch her teils heftig abgestraft werden, aber in ihrer Rolle kann sie desöfteren doch glänzen (mit umwerfend gutem Aussehen inklusive) und ihr Alterungsprozess und ihre Entwicklung als Figur macht mehr her, als die des reichlich steif wirkenden Brad Pitt. Alles in allem sind es eigentlich überhaupt die Frauen in dem Film, trotzt reaktionärer Zwischentöne, die nicht alles völlig vergessenswert und belanglos erscheinen lassen. Nicht zuletzt auch die von mir hochverehrte Tilda Swinton beeindruckt, wobei sie freilich schon unendlich viel bessere Rollen bekommen hat und hier fast unterfordert wirkt. Musik und Ausstattung sind auch nett.
„Goodnight Benjamin.“
Fazit von Spenz
Der seltsame Fall des Benjamin Button ist von Anfang bis zum Schluss ein enttäuschendes Machwerk, das reichlich bemüht und gefällig märchenhafte Nettigkeiten und klischeehaftes Liebesgedöns mit einem digitalen Dauerfeuer ins Gesicht des emotional konditionierten Publikums bläst und dafür Tränen, Seufzer und Oscars einfordert. Zudem werden auch noch permanent äußerst altkluge Sätze geliefert, die als inszenierte Lebensweisheiten nicht plumper und banaler sein könnten. Das alles macht der Film eigentlich so penetrant, dass man ihn fast zu hassen beginnt. Lediglich die Performances der weiblichen Haupt- und Nebendarstellerinnen, mit Namen Cate Blanchett, Taraji P. Henson und Tilda Swinton, wissen teils recht zu überzeugen, allerdings meint es das Drehbuch in seiner selbstgefälligen Oberflächlichkeit samt reaktionärer Zwischentöne in allen Dingen nicht immer allzu gut mit ihnen. Brad Pitt geht einerseits im zugegegebenermaßen teils wirklich beeindrucken Effekt des digitalen Verjüngens unter, andererseits ist sein Benjamin Button auch einer der uninteressantesten und zugleich beliebigsten Figuren der Filmgeschichte. Beim wohl mit Abstand schlechtesten Werk von David Fincher haben wir fast drei Stunden reine Überflüssigkeit vor uns. Ein Möchtegern-Epos als Elegie über das Altern, das nicht langweiliger und vergessenswerter sein könnte.
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