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Inglourious Basterds

Ja, das war ja wieder mal Kino pur. Der Gedanke kam mir recht deutlich, als ich den jüngsten Film von Quentin Tarantino im Lichtspielhaus meiner Wahl bestaunte. Mr. Tarantino sollte ja wohl einem jeden halbwegs ernsthaften Cinephilen ein Begriff sein, allein weil er zu den besten Autorenfilmer mit einem der eigenwilligsten (und oftmals kopierten) Stile überhaupt und sowieso zählt. Pulp Fiction (1994) hat praktisch ein ganzes Jahrzehnt geprägt. Kill Bill (2003 und 2004) ist ein Epos für sich und selbst sein Frühwerk Reservoir Dogs (1992) besticht bereits mit beeindruckender Qualität. Zuvor hat er ja mit Death Proof (2007) und dem Grindhouse-Doppelfeature an der Seite von Robert Rodriguez einen ordentlichen Flop produziert, aber nunmehr meldet er sich mit einem mehr als beeindruckenden Comeback zurück.

Ein Rachemärchen aus dem Wilden Nazi-Westen

Gleich mal eines vorweg: was Inglourious Basterds sicher nicht ist, ist ein historisch akkurater Kriegsfilm oder gar ein Drama über das Terror-Regime der Nazis. Nein, es ist vielmehr ein bizarrer Neo-Western (die Anspielungen samt der Musik von Ennio Morricone sind endlos), der ganz nach besagtem Film-Genre eine eigene Fiktion von einem Zeitraum in der Geschichte schafft, in dem sich Nazi-Jäger und Nazis wie Cowboys und Indianer um die Ecke meucheln. Und ja, man darf das (bezogen auf gewisse empörte Meinungen ob der heiklen Thematik). In der Kunst soll man das sogar. Zumindest sehe ich das so. Im Film ist das alles brutal, komödiantisch, surreal, irrwitzig und dabei in seinem wilden Genre-Mix äußerst unterhaltsam.

“You probably heard we ain’t in the prisoner-takin‘ business; we in the killin‘ Nazi business. And cousin, business is a-boomin‘.“

Multilingualer Dialogwitz

Dabei setzt Tarantino mehr denn je auf brillant geschliffene Dialoge und das noch dazu ständig abwechselnd in mehreren Sprachen. Englisch, Deutsch, Französisch und zwischendurch auch mal Italienisch: die deutsche Synchronisation führt sich dabei eigentlich ad absurdum, wirkt unnötig aufgesetzt, aber so kriegt man immerhin annähernd zwei Drittel vom sprachlichen Original des Films gleich mit geschenkt.

“Ich weiß, dass das eine dumme Frage ist, schon bevor ich sie stelle, aber sprecht ihr Amerikaner irgendeine andere Sprache?“

Ein Fest von Darstellern und von Musik sowieso

Desweiteren kommen mehr denn je grandiose Darsteller unter einer offenbar selten so guten Regie (die den Figuren sehr viel Raum gibt) zum Zug: allen voran der Österreicher Christoph Waltz, der hier ohne Zweifel die mit Abstand beste Leistung seiner Karriere auf überragendem Niveau abliefert. In Cannes mehr als zu Recht ausgezeichnet. Der Oscar ebenso verdient. Selten macht es so viel Spaß einem Schauspieler bei der Arbeit zuzusehen. Ganz wunderbar und sicherlich ebenso beeindruckend die Französin Melanie Laurent, die praktisch als Gegenpart deutlich subtiler aber nicht weniger intensiv die jüdische Rachefantasie verwirklichen darf. Diese beiden tragen fast den gesamten Film. Ansonsten der Rest des Ensembles (dabei das halbe nennenswerte Aufgebot an guten deutschen Schauspielern) auch ganz wunderbar: August Diehl als perfider SS-Sturmbandführer Hellstrom, Daniel Brühl wächst in seiner eher ambivalenten Rolle fast über sich hinaus, auch Diane Kruger überzeugt. In kleineren Rollen wissen Mike Myers, Til Schweiger und nicht zuletzt Michael Fassbender ebenso zu beeindrucken. Dagegen geht ein Brad Pitt, der im Grunde neben Mike Myers aus der Perspektive eines US-amerikanischen Publikums einzig bekannte Name ist, schauspielerisch fast unter. Eine solide Leistung mit einigen kleinen Highlights. Mehr Star für die potentiellen Kinomassen auf dem Plakat, als Star im Film.

Die Musik freilich ist freilich wieder grandios. Spätestens wenn David Bowie mit ‚Cat People‘ zu einer langsamen Kamerafahrt und ebenso langsamen Überblendungen ertönt, schätzt man Herrn Tarantino wieder sehr für seine wunderbare Ästhetik. Generell eine sehr stimmige Inszenierung, tolle Regie-Arbeit.

“You know somethin‘, Utivich? I think this just might be my masterpiece.“

Das Banale und das wahre Grauen

Der fünfte Teil (wieder gibt’s eine Kapiteleinteilung) ist sicherlich der stärkste Part dieses cineastischen Meisterwerks. Der dramaturgische Höhepunkt, in dem das Medium Kino fast schon genial in mehrfacher Weise gespiegelt wird, ist letztlich auch eine rotzfreche Verhöhnung des politisch korrekten Filmes, der einen Wahrheitsanspruch über die Nazi-Ära für sich einnimmt und dabei freilich in der Banalisierung des Unbegreiflichen scheitern muss, noch dazu wenn sich dabei der auf der richtigen Seite wähnende Zuschauer in seinem Gut sein andauernd bestätigt sieht und das alles brav mit dem trainierten Kopfschütteln und dem angelernten Schockiert sein kommentiert. Tarantino untergräbt all dies mit der Übertreibung, der Überfiktionalisierung und wohl auch der Überbanalisierung in einer comichaften, komikhaften und nur in der sich selbst erschaffenden Wirklichkeit des Films, der sich dabei zugleich ernst und wiederum nicht ernst nimmt.

Freilich, so ganz zu hundert Prozent funktioniert der Film insgesamt vielleicht auch nicht. Kleine Längen, nicht immer ganz überzeugendes Schauspiel, gelegentliche allzu auffällige szenische und dialogische Selbstverliebtheit sowie ein Tick zu wenig Dynamik trüben etwas den Schaugenuss, aber das fällt insgesamt kaum ins Gewicht.

“The Führer is attending the premiere.“

9 / 10

Fazit von Spenz

Meiner Meinung nach der beste Tarantino seit Pulp Fiction, mit harter Konkurrenz durch Kill Bill. Grandioses Schauspiel. Wunderbare Charakterzeichnung. Feine Dialoge. Musikalisch und szenisch stimmig inszeniert. Kleinere, fast unwesentliche Schwächen. Alles zusammengeführt in einem wilden Genre-Mix mit zig Anspielungen und präsentiert als Nazi-Western märchenhaft überhöht. Kino im Kino als bestes Kino. Ein echter Spaß. Bravo Mr. Tarantino!

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