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The Social Network

Erstmals: Ich bin seit kurzem Facebook-User. Eher widerwillig und doch irgendwie aus einer Reihe halbwegs plausibler Gründe habe ich (wieder einmal) meine Seele an einen digitalen Moloch verkauft, der fleißig meine persönlichen Daten frisst und mit denen auf gänzlich undurchsichtige Weise herum jongliert. Aber dabei bin ich nur einer von über 500 Millionen anderen Narren. Facebook ist so unästhetisch wie erstaunlich benutzerunfreundlich und müllt einen gerne mit einem Haufen Meldungen zu. Wieder ein dämlicher Grund mehr zu viel Zeit vor dem Kasten zu verschwenden und manche werden ja gern davon süchtig. Irgendwo in den fernen USA hat irgendein Harvard-Typ, der einige Lenze weniger zählt als ich, das Teil in einem (halben) Geniestreich erfunden und ist jetzt jüngster Milliardär der Welt. David Fincher (Se7en, Fight Club) hat über diesen Mark Zuckerberg einen Film gemacht und die endlosen Kritiken im Vorfeld waren geradezu spektakulär. Unbedingt ansehen also. Die Erwartungen ganz hoch schrauben also. Na dann…

„One suggestion: Get rid of the “the”. Just *Facebook*. Flows better.“

Die Mär vom Harvard-Arschloch

Der Film beginnt mit der Portraitierung von Mark Zuckerberg (Jesse Eisenberg) als so verkopften wie genialen Nerd, der natürlich mit dem weiblichen Gegenüber seine Schwierigkeiten hat und aus Frust darüber sich in seine exzessive Programmiertätigkeit flüchtet, die ihm zuerst einen Haufen Probleme, aber später einen Haufen Geld einbringen sollte. Vom studentischen Dasein in Harvard generell etwas unterfordert und von einer gewissen Geltungssucht getrieben übernimmt er die Idee der Zwillinge Cameron und Tyler Winklewoss (Armie Hammer) für ein studentisches Online-Netzwerk. Er täuscht praktisch vor, für diese den Programmieraufwand zu übernehmen und erschafft seine eigene Plattform: ‚The Facebook‘.

Neben der fiktional-faktischen Chronologie werden zudem zusätzliche Handlungsebenen eingewoben, die die Gerichtsverhandlungen behandeln, da ja Zuckerberg von mehreren Parteien unter anderem besagten Winklewoss-Brüdern sowie seinem scheinbar einzigen Freund und Mitbegründer Eduardo Saverin (Andrew Garfield) auf zig Millionen verklagt wurde. Nach einem Treffen mit dem Napster-Gründer Sean Parker (Justin Timberlake), der bei Zuckerberg einen enormen Eindruck hinterlässt, entwickelt sich das Projekt der Social Community sehr schnell zu einem bombastischen Eigenläufer. Unsummen werden investiert und gewonnen. Am Ende jedoch zerbricht eine Freundschaft und es bleiben so reiche wie verlorene Figuren zurück.

„A guy who makes a new chair doesn’t owe money to everyone who ever built a chair.“

Der Dialog-Thriller

Irgendwie ist es schon erstaunlich, wie ein Film, der gänzlich ohne Action, Horror oder echten Thrill nur über Dialoge und Verflechtungen zwischen Figuren dermaßen spannend sein kann und das noch dazu über annähernd zwei Stunden hinweg. Dies liegt wohl erstmals vor allem am Skript, das vor geschliffenen und brillanten Wortgefechten nur so glänzt (wobei echte Harvard-Studenten wohl auch nur selten so reden). Verantwortlich hierfür der Drehbuchautor Aaron Sorkin, der in den Staaten in erster Linie mit der Serie The West Wing (1999-2006) große Erfolge feiern konnte.

Hinzu kommt eine äußerst konzentrierte Inszenierung, die der gute David Fincher als Regisseur wohl seit Fight Club aus dem Jahre 1999 nicht mehr so virtuos hinbekommen hat. Hier gibt es keine aufdringlich digitalen Spielchen, keine überstilisierten Kameraexperimente oder überhastete Schnittfolgen. Es sind die Gesichter, die zwischenmenschlichen Atmosphären und das Wort, ja die Geschichte selbst, die hier in Bedeutung gesetzt werden. Auf einmal wird eine Szene, in welcher Zuckerberg nichts anderes tut als vor einem Monitor zu sitzen und sich durch die Netzwerke zu hacken, richtig mitreißend. Besonders beeindruckend fand ich auch eine Zwischensequenz, in der die Winklewoss-Zwillinge in einer knapp ausgehenden Ruderregatta zu sehen sind. Hier stimmt einfach alles: Kamera, Schnitt, Musik, Atmosphäre, Tempo. Und dies alles wiewohl in dem Fall ohne einen einzigen Dialog. Praktisch eine im Ansatz surreale Fingerübung zwischendurch und ganz nebenbei macht Fincher auch noch den Tilt-Shift salonfähig.

Allerdings, so gut auch alles gemacht ist, so wenig vermag allein die Inszenierung über die ganze Strecke einen gänzlich zu fangen. Vielleicht ist es ja wieder doch die Cleverness, die der Emotion einen Tick zu viel vorgezogen wurde.

„Your best friend is suing you for 600 million dollars.“

Das Drama mit der Postmoderne

Irgendwie will sich ja The Social Network als das große Drama über die heutige Internet-Generation oder überhaupt das digitale Zeitalter verkaufen. Dumm nur, dass in der Praxis es meist weit banaler und trivialer abläuft, wenn man wieder mal die Facebook-Seite abklappert. So sehr diese Techniken und im Besonderen die Social Networks unsere Welt und unser Verständnis für die Welt verändert haben, so langweilig wie nervig kann auch schnell die permanente Selbstinszenierung in virtueller Form von Menschen werden. Mark Zuckerberg selbst ist im Film daher nicht nur unbedingt das große Arschloch, er ist bis auf sein Genie auch nicht unbedingt eine Figur, über die ich ständig mehr wissen will. Zudem ‚riecht‘ man förmlich die Hyper-Fiktionalität in den so brillant wie gleichzeitig ungläubig wirkenden Dialogen, auch wenn es ja alles so irgendwie gewesen sein will. Das Internet als Motiv wird lediglich angekratzt, Facebook auch zu sehr als Spielzeug verstanden, mit dem man zu viel Geld machen kann und keiner weiß so recht warum. Möglicherweise kapituliert hier das Medium Film auf formaler Ebene gegenüber der Revolution von heute und morgen.

Der Rest kreist um die großen Themen von Verrat, Ehrgeiz und Rache. Die Unsozialen wollen sozial werden und zwar mit digitalen Gimmicks als Kompensation und auf der Suche nach Nähe und Anerkennung. Das Geld gerne mit dazu. Der Nerd hat gewonnen. Seine digitale Midgard-Schlange wurde entfesselt und sie reißt die Welt mit. Wir haben keine Ahnung wohin, aber es könnte dort auch einfach nur ziemlich langweilig sein.

„If you guys were the inventors of Facebook, you’d have invented Facebook.“

Charakter-Generierung

Die Darsteller und ihre Darstellung gewinnen wiewohl in jedem Fall. Allen voran Jesse Eisenberg als die Zentralfigur Mark Zuckerberg kann gänzlich überzeugen. Das geniale Arschloch hat nicht nur autistische Züge, sondern ist auch regelrecht von Ehrgeiz zerfressen. Letzteres lässt er seine soziale Umgebung auch immer wieder gerne mit subtilen Demütigungen wissen. Zwar verliert er nie gänzlich alle Sympathie, aber man bekommt im Film doch selten eine Hauptfigur repräsentiert, die man auch mal nicht mögen darf. In manchen Szenen und in manchen Sätzen schraubt sich Eisenberg als Zuckerberg in die darstellerische Oberliga hoch, sprich, niemand könnte es besser machen als er. Nur leider ist das über alle Maßen geniale Arschloch dann doch nicht so arg interessant auf die Dauer.

Überraschend erinnerungswürdig auch Justin Timberlake (genau der nämlich), welcher als pleite gegangener Napster-Gründer Sean Parker sich zwar gerne als David gegen Goliath inszeniert, aber im Grunde ist es hinter der Fassade auch recht hohl und für den nächsten Batzen Geld tut man mit einer im Ansatz nett klingenden Vision in der Tasche eh wieder alles. Andrew Garfield als Zuckerbergs einziger Freund Sean Parker bleibt als Opfer vielleicht etwas zu blass, aber er fügt sich gewisslich nicht minder gut in das Ensemble ein. Rooney Mara schafft es wiewohl als einzig relevante Frauenfigur in nur wenigen größeren Szenen einen gänzlich runden Charakter zu rüberzubringen.

Abschließend seien die Winklewoss-Zwillinge allein deshalb gesondert erwähnt, weil uns hier permanent ein äußerst beeindruckender digitaler Effekt präsentiert wird, der nicht subtiler und unaufdringlicher sein könnte. Zwar sind es Armie Hammer und Josh Pence, die während der Dreharbeiten die beiden realen Vorbilder verkörperten, aber in einem ähnlichen Verfahren wie zuvor bei Der seltsame Fall des Benjamin Button (2008) wurde das extra aufgenommene Gesicht von Armie Hammer in der Postproduction auf jenes von Josh Pence digital ‚draufgeklebt‘. Dies ist deshalb so faszinierend, denn wenn man es nicht weiß, fällt einem der Spezialeffekt nicht im Geringsten auf.

„The internet’s written in ink, Mark. It’s not written in pencil.“

7 / 10

Fazit von Spenz

The Social Network von David Fincher ist erstmals ein zum größten Teil großartig geschriebenes Drama über die heutige Internet-Generation (oder er will es zumindest sein), welches zudem inszenatorisch gänzlich zu überzeugen weiß. Dabei gelingt es in erstaunlicher Weise einen permanenten Spannungsbogen aufrecht zu erhalten, welcher allerdings so hoch angesetzt dann auch wieder nicht ist. Die Charakterisierung der Figuren samt den herausragenden Darstellern ist äußerst überzeugend. Das größte Problem des Films ist wiewohl eine oftmals zu aufdringliche Artifizialität und zwischenzeitlich selbstgefällige Cleverness. Auch bleibt besonders Zuckerberg etwas zu uninteressant als Person, um ihm als Zuschauer die ganze Zeit über folgen zu wollen. Das Internet oder eben auch Social Networks und deren tatsächliche Relevanz in einem globalen Kontext werden als Motiv auch nur schwach angekratzt. An einem tatsächlichen Realismus-Anspruch im Sinne von der korrekten Darstellung der wirklichen Vorkommnisse versagt er ja ohnehin. Umso mehr kann ich die zahlreichen euphorischen und geradezu orgiastischen Kritiken nicht wirklich verstehen, denn The Social Network ist von einem echten Meisterwerk doch um die eine oder andere Länge zu weit entfernt. Empfohlen darf er werden, aber man sollte sich wirklich nicht zu viel erwarten. Und bei Gott, ich hoffe Mr. Fincher beglückt die Welt wieder einmal mit eine Film vom Kaliber eines Se7en oder Fight Club

PS: Der wirklich formidable Soundtrack vom Meister von Nine Inch Nales mit Namen Trent Raznor samt dem nicht wirklich bekannten Atticus Ross möchte ich hier extra erwähnt wissen…

8 / 10

Fazit von Ruffy

Was habe ich mich auf diesen Film gefreut, konnte das Releasedatum schon nicht mehr erwarten, für mich war The Social Network schon im Vorfeld der Film des Jahren – so hoch waren meine Erwartungen an David Fincher.

Die Voraussetzungen für ein filmisches Meisterwerk waren gegeben und das Thema konnte aktueller nicht sein, immerhin benutzen mehr als 500 Millionen Personen weltweit das Soziale Netzwerk Facebook und täglich werden es mehr.

Fincher macht dem Zuschauer schon in der ersten Einstellung klar, was ihn die kommenden 121 Minuten erwarten werden. Ein überlanger aber cleverer Dialog mit schnellen Wortwechseln mit einem, von Jesse Eisenberg intensiv gespieltem, Mark Zuckerberg als polarisierende Erscheinung. Nahezu meisterlich versteht es der Regisseur einzelnen Szenen durch seinen besonderen audiovisuellen Stil eine bemerkenswerte und teilweise surreale Eigenständigkeit zu geben.

Am Ende ist The Social Network aber ein Film, der unter seinen Möglichkeiten bleibt, es nie schafft die angedeutete Spannung wirklich zu einem Höhepunkt zu bringen und sich vor allem viel zu sehr in den Gerichtsverhandlungen und der Charakterzeichnung der unterschiedlichen Parteien verliert, anstatt wirklich näher auf das Phänomen Facebook einzugehen. Es ist wohl nicht der beste Film des Jahres aber trotzdem ein herausragendes Werk mit einer so unglaublichen, wie faszinierenden Geschichte über einen der einflussreichsten Menschen der jüngeren Vergangenheit.

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